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Kunststoffe

Für die Auswahl von Baustoffen gilt aus baubiologischer Sicht eine einfache Regel:

Baustoffe aus nachwachsenden oder mineralischen statt aus fossilen Rohstoffen zu verwenden.

Das klingt auf den ersten Blick rigoros und extrem, schließlich hat die chemische Industrie Anstrengungen unternommen, um emissionsarme Dämmstoffe, Bodenbeläge, Farben und Lacke, Abdichtungen und Klebstoffe zu produzieren. Wäre es da nicht ein Gebot der Fairness diesen Produkten eine Chance zu geben oder sie zu Mindestens gleich zu behandeln wie Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen? Und warum eigentlich diese Ablehnung von chemischen Produkten aus fossilen Rohstoffen?

Der Einsatz von Kunststoffen im Bauwesen begann erst in den 1950er Jahren und hat seitdem einen ungebrochenen Boom erfahren. Gerade die Debatte um den Klimaschutz hat die Verkaufszahlen von Dämmstoffen aus fossilen Rohstoffen noch einmal kräftig in die Höhe getrieben. Dass hier enorme wirtschaftliche Interessen im Spiel sind, ist nicht weg zu diskutieren. Etwa ein Viertel des Gesamtverbrauchs an Kunststoffen geht in das Bauwesen. Die jährliche Produktion an Kunststoffen beträgt in der BRD sechs Millionen Tonnen. Das Problem mit den Produkten der chemischen Industrie beginnt mit dem Herstellungsprozess. Nach wie vor sind die Produktionsabläufe für Außenstehende nicht transparent. Trotzdem ist bekannt, dass die chemische Industrie:

  • enorme Wassermengen verbraucht
  • enorme Mengen an CO² emittiert
  • hochgiftige Schwermetalle (Cadmium, Blei, etc.) einsetzt und in die Umweltkette einbringt
  • bei jedem Produktionsprozess hochgiftige Abfallprodukte und Sondermüll anfallen
  • einen vergleichweise höheren Verbrauch an nicht erneuerbarer Energie aufweist

Als Mitte der 1980er Jahre die Firma Boehringer in Hamburg geschlossen wurde und man den Boden untersuchte, stellte man fest, dass er hochgradig mit chlororganischen Substanzen, unter anderem auch mit polychlorierten Dioxinen und Furanen kontaminiert war. Die Vermutung, dass es sich dabei um keinen Einzelfall, sondern nur um die Spitze des Eisbergs handelt, ist wohl nicht unberechtigt.

Eine ebenso große Problematik besteht für chemische Produkte hinsichtlich Nutzung und Recycling. Um eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch Baustoffe zu quantifizieren hat der Gesetzgeber Grenzwerte in Form der sogenannten MAK-Werte (=maximale Arbeitsplatz-konzentration) bzw. MRK-Werte (=maximale Raumluftkonzentration) festgelegt.

„Der MAK-Wert ist die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglich 8 stündiger Exposition, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und diese nicht unangemessen belästigt." (MAK-Liste)

Nur für wenige Stoffe – u.a. Holzschutzmittel und Formaldehyd wurden MRK-Werte festgelegt, die auf Grund der längeren Exposition und der möglichen Gefährdung von Kindern und Schwangeren wesentlich niedriger angesetzt werden als MAK-Werte.

Die MAK bzw. MRK-Werte berücksichtigen weder die additive und synergetische Wirkung gefährlicher Stoffe noch die zusätzliche Belastung von Personen außerhalb ihrer Erwerbs-arbeitszeit.

Um eine Vorstellung über das Gefährdungspotential zu erhalten und um die Gefährlichkeit der Stoffe grob miteinander vergleichen zu können, sind hier die MAK-Werte für verschiedene im Baubereich vorkommende Stoffe angeführt:

Blei 0,1mg/m³ enthalten in Holzschutzmitteln

Lindan

0,5mg/m³

enthalten in Holzschutzmitteln

Phenol

19,0mg/m³

enthalten in Holzwerkstoffplatten

Styrol

85,0mg/m³

enthalten in Polystyrol


Grundsätzlich sind die organischen Halogenverbindungen und die Schwermetalle als besonders problematische Stoffgruppen anzusehen.

Zu den Baustoffen, deren Verwendung aus baubiologischer Sicht zu verzichten ist gehören:

Asbesthaltige Baustoffe, Polyurethan, Polystyrol, PVC, schwermetallhaltige Substanzen, chemische Holzschutzmittel, organische Lösemittel, Spanplatten mit Formaldehydharz- oder Isocyanat-Bindung, künstliche Mineralfasern.

Chemie-Kritiker, die sich zum Arbeitskreis Umweltchemikalien/ Toxikologie zusammengeschlossen haben, empfehlen eine „neue Chemiepolitik" im Sinne einer „sanften Chemie".

Dazu gehören folgende Leitlinien:

  • keine chemischen Stoffe, wenn der gewünschte Zweck auch anders erreicht werden kann
  • weniger gefährliche Produktionsanlagen oder –verfahren
  • notfalls Verzicht auf Herstellung bestimmter Stoffe
  • keine Produktion neuer Stoffe, ohne Prüfung auf die Notwendigkeit
  • Schaffung geschlossener Kreisläufe
  • Bevorzugung abbaubarer Stoffe, insbesondere für offene Kreisläufe

Für alle chemischen Baustoffe, sei der Schadstoffanteil noch so gering, seien sie noch so „emissionsarm" gibt es natürliche, auf nachwachsenden oder mineralischen Rohstoffen basierende Alternativen.

Biologisch, also gesund bauen heißt soweit als möglich schadstofffrei statt schadstoff-reduziert zu bauen.

Zugleich wird bei Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen die regionale Wirtschaft gestärkt und es ist gewährleistet, dass Herstellung und Recycling umweltschonend erfolgen.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die schadstoffreduzierten Baustoffe in der Herstellung genauso problematisch sind, wie ihre lösemittelhaltigen Verwandten.

Für gewisse Anwendungen sind diese Problemstoffe ohne baubiologische Alternative, aber bei entsprechender Planung kann man diese Anwendungen vermeiden oder minimieren.

Als Architekten sind wir es gewohnt, pragmatische Entscheidungen zu treffen und Gewichtungen vorzunehmen. Das gilt auch für die Wahl von Baustoffen. So können unter Umständen geringe Mengen von Problemstoffen in Kauf genommen werden, wenn damit die Beständigkeit verbessert wird.